Sie denken nun sicher, das hört sich alles so toll an, so logisch, so traumhaft und einfach! Warum machen dann nicht alle das? Nun, ich stelle immer wieder fest, dass viele Menschen im Umgang mit Pferden vor allem eins wollen: ein Pferd, das quasi auf Knopfdruck meine „Befehle " ausführt, immer bereit, uns den nächsten Wunsch von den Augen abzulesen. Und gerade Anfänger, die zum ersten mal einen Kurs besuchen sind oft fasziniert davon, wie einfach das doch geht, hat das Pferd den Stock erst einmal gespürt... es braucht ihn dann nur noch zu sehen und schon funktioniert es. Toll. Super. Ich aber sage, es braucht den Stock nicht zu spüren, ist der Mensch nur fähig genug, sich auch ohne solche Mittel verständlich zu machen. Sicher, auch ich habe immer einen Stock bei der Bodenarbeit dabei, jedoch lediglich um meinen Arm zu „ verlängern ", will ich das Pferd einrahmen, ihm eine bestimmt Richtung vorgeben. Sollte es zu der äußerst unschönen Situation kommen, dass ich gezwungen bin, mich selbst und meine Knochen vor dem Pferd zu verteidigen, hab ich was falsch gemacht. Punkt um. Auch kann man nicht jedes Pferd mit exakt den selben Mitteln arbeiten, wie oben bereits erwähnt. Ich muß dabei stets beachten, welchen Rang das Pferd in der Herde inne hat. Natürlich habe ich nicht vor, mich einem Leittier unterzuordnen, nur müssen in einem solchen Fall die Angebote meinerseits konkretisiert und sehr spezifisch sein. Die Einstellung „ ich Chef, du nix" ist hier vollkommen fehl am Platze. Auch sollte inzwischen klar sein, dass ein ranghohes Tier sich mir so leicht unterwirft wie ein rangniedirigeres. Und ich nehme ausdrücklich Abstand davon, gerade einem ranghohen Tier „ mal richtig die Leviten zu lesen. " Stehe ich einer Leitstute gegenüber, und alles was mich ausmacht, meine Haltung, meine Gedanken, mein Sein drücken mein Wissen um ihren Rang und die Akzeptanz dessen aus, verbunden mit dem ehrlichen und aufrichtigen Angebot, „gemeinsame Sache " zu machen, wird es nicht nötig sein, ihren Willen zu brechen, um mein Ziel zu erreichen. Denn die Stute wird meine innere Haltung spüren und auch meinen Wunsch zur Zusammenarbeit. Es ist, will man mit einem solchen Pferd arbeiten, sehr wichtig, sich genau darüber im Klaren zu sein, was es aus Sicht der Pferde bedeutet, Leitstute zu sein. Denn anders als oft angenommen, erkämpft sich eine Stute diesen Rang nicht, sie wird hineingeboren. Sie hat es im Blut, sie ist dazu auf der hiesigen Welt, der Herde zu dienen, sie zu führen, die guten Futterplätze und Wasserstellen aufzusuchen, sie geht voran in schwierigem Gelände, durch hohen Schnee, sie bleibt für sich und auch ihre Fohlen umsorgt sie nicht so aufgeregt wie andere Stuten, sie ruht in sich selbst. Quatsch ist, dass immer die schönste und größte Stute die Leitstute ist, denn Pferde sind nicht auf Äußerlichkeiten bedacht. Es ist die innere Größe, die sie aufhorchen und weichen lässt. Ein wenig anders verhält es sich beim Leithengst. Er ist der Pascha, groß, kräftig, wild und hat einen ungebrochenen Willen. Doch auch er stellt sein Leben quasi in den Dienst der Herde, jedoch mit einem bestimmten Ziel: der Fortpflanzung. Die Leitstute geht voraus, selbstlos und ihrer Selbst sicher, der Hengst beschützt die Herde vom Aussichtspunkt oder bei Wanderungen als Schlusslicht. Nur dem geübten und geduldigen Beobachter einer solchen intakten Herde wird auffallen, dass beide Tiere stets in Kontakt stehen. Sie teilen sich die Aufgaben und doch sind sie grundverschieden. Ist man sich über diese Dinge im klaren, versteht man auch, warum man ein solches Tier nicht brechen kann und darf. Denn lässt man sich auf den offenen Kampf ein, hat man schon verloren. Das Tier achtet und respektiert mich nicht mehr aus freien Stücken, es kapituliert vielmehr vor meiner Gewalt. Es zieht sich zurück, tut uns den Gefallen, unseren Befehlen zu folgen, doch ist bei geübtem Blick unübersehbar, wie sehr das Pferd diesen gewaltbereiten Menschen verachtet, sich langweilt und nicht voll bei der Sache ist. Es lässt sich benutzen, mehr aber auch nicht. Es gibt Pferde, die sich diesem Zustand geschlagen geben, doch bei besonders starken Charakteren ist früher oder später mit einem äußerst gefährlichen Ausbruch zu rechnen. Das Pferd wird unberechenbar gefährlich. Und dann ist es nur einem geübten Menschen möglich, sich der Aufgabe der Kontaktaufnahme zu stellen. Nicht selten erlebe ich, wie Menschen ihre Pferde krankpflegen. Wechselt das Tier den Besitzer, ist von all den Wehwechen nichts mehr zu sehen... Woran liegt das? Der Wunsch des Besitzers, aus dem Pferd einen Kindersatz zu machen, damit man eine Aufgabe und etwas zum Umsorgen hat, macht das Pferd seelisch krank. Und die äußerlich sichtbaren  "Wunden " sind der Spiegel der kranken Seele. Es möchte so sein und bleiben, wie es ist. Nicht in Watte eingepackt. Nicht krankgeredet. Nicht stündlich nach Kratzern abgesucht werden. Es will sich dem Leben und seiner Umwelt stellen, kann es aber nicht, weil der Mensch dazwischen steht. Ähnliches kann man oft bei Schulpferden beobachten. Die schönen, kraftvollen, eventuell gut ausgebildeten sind die Lieblinge der Stallmädchen, es wird oft genug darum gestritten, wer sie pflegen und umsorgen darf. Die Pferde die nicht unbedingt dem Schönheitsideal entstprechen, vielleicht „schwierig" sind, fristen ein Dasein ohne Zuwendung. Die menschliche Eitelkeit hat sich auf die Pferde übertragen... Die schönen werden immer schöner, die nicht so schönen immer hässlicher, sowohl äußerlich als auch innerlich. Sie wollen mit ihrem stumpfen Fell, den glanzlosen Augen, den immer angelegten Ohren und dem ständig eingeklemmt getragenen Schweif zeigen, wie hässlich sie die Welt empfinden, sie sind der Spiegel ihres Lebens und der Menschen in ihrem Umfeld. Und es dauert oft sehr lange, bis ein solches „hässliches'' Pferd wieder Zutrauen fasst, bereit ist, sich zu öffnen und sich weilerzuentwickeln. Und das ist nur dann möglich, wenn ihm ein Mensch gegenüber tritt, der nicht das hässliche Entlein in ihm sieht, sondern wahrnimmt, dass es ein Pferd ist, gesund und mit ungebrochenem Willen zu leben, aber unfähig den Käfig des Hasses und der Verzweiflung zu verlassen. Es bedarf der Hilfe, nicht der körperlichen, denn ein solch introvertiertes Pferd ist nicht selten aggressiv, sondern der seelischen. Hier ist das Leitstutenprinzip gefragt. Nicht denken, einfach sein, handeln, immer im Dient des anderen, immer auf das Wohl aller bedacht, nicht eitel, nicht urteilend sondern klar und gut strukturiert. Der Mensch, der ein solches Pferd wieder „zum Leben erwecken " will, muß sehr fest in sich selbst ruhen, viel Kraft haben, um viel abgeben zu können. Zeit und Geld dürfen keine Rolle spielen. Ist ein Zugang zur wunden Seele des Tieres gefunden, kann es sehr schnell gehen, oft ist man geneigt zu meinen es ginge zu schnell. Auf keinen Fall darf man sich eines solchen Tieres annehmen um etwas zu haben das man umsorgen kann. Es will akzeptiert werden um seiner selbst und von Anfang an muß klar sein: nichts wird so bleiben wie es war! Es ist möglich, dass einige körperliche Mängel nie weggehen, andere werden heilen, doch eins ändert sich bei einem solchen Charakter nie: der ungebrochene Wille, zu leben! Auch wenn es glückt, und rein äußerlich das Pferd gesund wird, es wird immer seinen starken Willen behalten, seine Klarheit und seinen Stolz. Denn das ließ es erst zu dem hässlichen Pferd werden: der Wille, den Menschen einen Spiegel vor die Nase zu halten, zu sagen: schau mich an! Sieh was du getan hast! Stell dich deiner eigenen Unfähigkeit! Und klar dürfte jedem sein, dass es einen äußerst starken Willen und viel Mut braucht, einen solchen Weg zu wählen um auf das innere Leid aufmerksam zu machen, wäre es doch vergleichbar einfacher sich zurückzuziehen, stumm den Dienst zu versehen und sich geschlagen zu geben.


 




Wer sich weiterbildet, sieht manches plötzlich etwas anders.
Soll heißen:
Einige Aussagen in meinem Buchversuch müssen dringend überarbeitet werden.
Daher: es gibt erstmal keine neuen Auszüge.
Vielen Dank fürs Verständnis!
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